Der aktuelle Grenzkonflikt zwischen China und Indien

Puh. Ich glaube, damit kann man die ersten 6 Monate des Jahre 2020 ziemlich gut beschreiben. Die Pandemie des SARS-CoV2 Virus hat die ganze Welt fest im Griff und hat in einigen Ländern eine sehr heftige und tragische Katastrophe beschert. Aber auch in den internationalen Beziehungen geht es aktuell hoch her. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China verschlechtern sich zunehmend und die Volksrepublik verschärft ihre außenpolitische Rhetorik zunehmend. So hat ein chinesischer General mit einer gewaltsamen Wiedervereinigung Taiwans mit Festland-China gedroht[1]und auch Hongkong fällt langsam, aber sicher in die Einflusssphäre Pekings[2]

In diesem Blogbeitrag möchte ich allerdings kurz auf die aktuellen Grenzkonflikte zwischen Indien und China eingehen.

Grenzkonflikte bzw. Konflikte bezüglich von beanspruchten Gebieten ist zwischen der Volksrepublik China und Indien nichts neues. Bereits 1950 hat die chinesische Volksbefreiungsarmee im Rahmen der Besetzung Westtibets das Gebiet Aksai Chin durchquert und kurzerhand „mitgenommen“. [3] Dies wurde durch den Bau von Verbindungsstraßen weiter zementiert. Indien bemerkte dies aufgrund der abgeschiedenen Lage der Region erst spät und entsandte zunächst eine Abordnung, um die aktuelle Lage zu überprüfen. Später wurde eine offizielle Protestnote von Seiten der indischen Regierung nach Peking gesendet, welche mit der offiziellen Beanspruchung der Region durch die chinesische Regierung beantwortet wurde und seitdem chinesisches Territorium ist.

1962 kam es sogar zum indisch-chinesischen Grenzkrieg, welcher genau einen Monat dauerte. Dabei sind chinesische Soldaten über die McMahon-Linie auf indisches Territorium vorgedrungen und wurde im November 1962 nach einem einseitigen Waffenstillstand Chinas beendet. Dabei sind 2000 Menschen gestorben. Die Verhandlungen über den Waffenstillstand im Rahmen der Colombo-Konferenz wurden indirekt geführt, da die Beziehungen zwischen Indien und China so schlecht waren, dass beide Staaten nicht direkt miteinander verhandelten. Selbst danach haben beide Seiten Provokationen durchgeführt. China hat sich beispielsweise 1963 mit Pakistan verbündet, welches ein Teilgebiet Kaschmirs der Volksrepublik überließ und Indien schloss im Gegenzug im Jahr 1971 einen Pakt mit der UdSSR.[4]

Allein an der Geschichte der Grenzkonflikte/Territorialkonflikte, von denen es mit Sicherheit noch einige mehr gibt, kann man erkennen, dass die Beziehungen zwischen Indien und China im Allgemeinen sehr kompliziert und belastet sind.

Die aktuelle Situation entwickelte sich am 5.Mai 2020, als erste Berichte über einen Zusammenstoß von indischen und chinesischen Soldaten in der Region Sikkim veröffentlicht worden sind. Dabei wurden 4 indische und 6 chinesische Soldaten verletzt und man konnte die Lage zunächst durch Gespräche auf lokaler Ebene wieder beruhigen. Bei der Konfrontation selbst waren um die 150 Soldaten anwesend. [5]
Am 21.Mai verschärfte sich die Situation wieder, als sich China beschwerte, dass indische Soldaten in chinesisches Gebiet eingedrungen seien und dort chinesische Grenzsoldaten behindert hätten. Auch hätte China erhebliche Bedenken bei einem indischen Infrastrukturprojekt in eben jener Region. [6] Zwei Tage später kamen die Gespräche zwischen dem indischen und dem chinesischen Militär zum Stillstand und beide Seiten haben die Alarmbereitschaft ihrer Soldaten erhöht. Anschließend wurde bekannt, dass chinesische Soldaten bis zu 15km in indisches Territorium eingedrungen seien und 5000 Soldaten in die Grenzregion verlegt worden seien[7]. Bei einer Rede am 27.Mai wies der chinesische Staatspräsident Xi Jinping die PLA an, das Training der Truppen zu intensivieren und sprach von einem ominösen Krieg zum Schutz der Nationalen Sicherheit. Konkreter wurde er dabei allerdings nicht.[8] Der indische Premierminister Modi traf sich in Folge dessen mit den führenden Militärs und seinem nationalen Sicherheitsberater, um die aktuelle Situation besprechen.[9] Wenig später wurde bekannt, dass schweres militärisches Gerät in die Grenzregion gebracht wurde, welche unter anderem Artillerie und Panzer beinhaltet. [10]

Aktuell lässt sich also festhalten, dass die Situation zwischen Indien und China ziemlich angespannt ist. Beide Seiten bereiten ihre Militärs auf eine mögliche Eskalation vor, die durch einen kleinen Zwischenfall ausgelöst werden könnte. Theoretisch besteht auch die Möglichkeit, dass sich das ganze mittelfristig wieder entspannen wird. Auch ist es in Anbetracht der Geschichte zwischen beiden Staaten kein neues Phänomen, da beide schon in der Vergangenheit in Konflikte miteinander verwickelt waren. Dennoch glaube ich, dass man die aktuelle Situation dringend im Auge behalten sollte. Auch wenn aktuell eine Pandemie läuft, dreht sich die Erde weiter.

Dennoch halte ich diese Situation geopolitisch für interessant. Es zeigt, dass China wie schon im südchinesischen Meer immer offensiver und auch aggressiver agiert, um seine eigenen geopolitischen Ziele und Forderungen zu formulieren. Das forsche Vorgehen gegen den potenziellen Konkurrenten Indien wäre aus meiner Sicht ein Indiz, dass man langfristig eine regionale Hegemonie anstrebt und so zum bestimmenden Akteur in der Region wird. Auf der einen Seite spricht man öffentlich immer wieder davon, sich nicht in die inneren Angelegenheiten von anderen Ländern einzumischen, andererseits provoziert man potenzielle Grenzkonflikte mit Nachbarländern. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass Indien eine Atommacht ist. Dementsprechend braucht es schon eine große Menge Selbstbewusstsein, um einen solchen Staat zu provozieren.

China sollte allerdings auch aufpassen, dass man sich nicht in zu viele Konflikte verzettelt. Neben dem Konflikt mit Indien hat man Drohungen gegen Taiwan ausgesprochen und man versucht zeitgleich mit einem umstrittenen Sicherheitsgesetz, sich Hongkong einzuverleiben. Hinzu kommen die rasant verschlechternden Beziehungen mit den Vereinigten Staaten und die noch unklare Situation mit der EU. Könnte ich das Weiße Haus beraten, würde ich spätestens jetzt eine lang angelegte Eindämmungsstrategie gegenüber Peking fahren. Diese Eindämmungsstrategie würde eine Erhöhung der Militärpräsenz in Ostasien, eine Anerkennung Taiwans als eigenen Staat und eine Bildung einer Gegenallianz in der Region beinhalten. Zeitgleich würde ich auch ein wirtschaftliches Gegenprogramm zur Belt-and-Road Initiative auflegen, um bisher neutrale asiatische Staaten aus einer chinesischen Einflusssphäre herauszuziehen.

  1. Vgl. https://www.smh.com.au/world/asia/chinese-general-threatens-attack-on-taiwan-to-stop-independence-20200529-p54xux.html
  2. Vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-sicherheitsgesetz-105.html
  3. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Aksai_Chin#Gebietsstreit_um_Aksai_Chin_zwischen_Indien_und_China
  4. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Indisch-Chinesischer_Grenzkrieg
  5. Vgl. https://news.abplive.com/news/india/indian-and-chinese-soldiers-naku-la-sector-north-sikkim-chinese-army-india-china-border-1231678
  6. Vgl. https://indianexpress.com/article/india/india-builds-road-north-of-ladakh-lake-china-warns-of-necessary-counter-measures-6421271/lite/?__twitter_impression=true
  7. Vgl. https://theprint.in/defence/stand-off-with-china-in-ladakh-is-indias-worst-border-tension-since-kargil-in-1999/429168/?amp&__twitter_impression=true
  8. Vgl. https://www.hindustantimes.com/world-news/prepare-for-war-china-s-xi-jinping-tells-army-to-thwart-coronavirus-impact-on-national-security/story-dfT3GPJWBXTPhzEASBna0L_amp.html?__twitter_impression=true
  9. Vgl. https://www.theguardian.com/world/2020/may/27/china-and-india-move-troops-as-border-tensions-escalate
  10. Vgl. https://indianexpress.com/article/india/not-far-from-the-lac-satellite-picks-up-chinese-armour-artillery-6432294/

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