Es ist ein Thema, welches seit einiger Zeit in meinem Twitter-Feed herumgeistert und ich habe mich nun entschlossen, zu dieser Thematik mal einen längeren Beitrag zu schreiben. Gleichzeitig möchte ich es nutzen, einen Blog für Internationale Beziehungen/Internationale Politik zu öffnen, in dem ich auf wichtige Ereignisse eingehe. Mal schauen, ob ich dieses Mal mehr Durchhaltevermögen beim Betrieb des Blogs aufweisen kann.
Doch worum geht es in diesem ersten Beitrag?
Seit dem Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump ist das Thema der Beiträge der europäischen Staaten zur NATO in den Vordergrund gerückt. Insbesondere Deutschland ist hierbei ins Visier der Trump-Administration gekommen und es wird der Bundesregierung vorgeworfen, nicht genug für die Verteidigung aufzuwenden. Auch US-Botschafter Richard Grenell hat diese Vorwürfe bekräftigt, was deutsche Spitzenpolitiker und sogar Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages zu peinlichen Gegenreaktionen veranlasst hat.
Doch was ist an den Vorwürfen der US-Regierung dran? Zunächst muss man sich genauer anschauen, woher diese 2% am BIP überhaupt herkommen. Entscheidend sind hierbei 2 Gipfel im Rahmen der NATO, zunächst der NATO-Gipfel in Prag im Jahre 2002 und der NATO-Gipfel 2014 in Wales.
Beim NATO-Gipfel 2002 ging es vorrangig um die Erweiterung der NATO und die mögliche Mitgliedschaft der baltischen Staaten und der Slowakei. Dabei wurde als Voraussetzung festgelegt, dass diese Staaten 2% ihres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung aufwenden müssten. Dabei wurde auch festgelegt, dass diese Richtlinie auch für die anderen Mitglieder gelten sollte. [1]
2014 stand der NATO-Gipfel in einem anderen Kontext. Aufgrund des Konfliktes in der Ukraine bzw. der russischen Annektion der Krim ging es vor allem darum, Gegenmaßnahmen einzuleiten und die Verteidigungsfähigkeit der NATO weiter zu sichern. Hauptkern des Gipfels war hierbei der NATO Readiness Action Plan, welcher unter anderem eine höhere Präsenz in der Ostsee und dem Schwarzen Meer vorsieht. Weiterhin sollte es mehr militärische Übungen im Rahmen der NATO geben.
Im Rahmen dieses NATO Readiness Action Plans wurde auch die Vereinbarung getroffen, dass alle NATO-Mitgliedsstaaten bis spätestens 2024 2% des Bruttoinlandsproduktes für Rüstungsausgaben aufwenden. Auch sollte es weitere Rüstungskooperationen auf europäischer und transatlantischer Ebene geben. [2] Nun kann man sicherlich argumentieren, dass zum einen bis 2024 noch einiges an Zeit vorhanden ist und zum anderen die Frage stellen kann, ob man Verteidigungsbeiträge wirklich am Bruttoinlandsprodukt festmachen kann. Dennoch müsste man zumindest den Willen zeigen, einen angemessenen Beitrag im Rahmen der NATO und der Verteidigungsfähigkeit Europas zu leisten.
Der Blog „Augen Geradeaus“ suggeriert leider was anderes. In einem Beitrag wurden die geplanten finanziellen Mittel für das Verteidigungsministerium für die Jahre 2020 bis 2023 aufgelistet, welche offen gesagt ziemlich ernüchternd sind. Während für das Jahr 2020 immerhin eine Steigerung der Ausgaben auf 1,37% des BIP (oder in absoluten Zahlen: 45,1 Milliarden Euro) geplant sind, sinken die Verteidigungsausgaben in den folgenden Jahren wieder auf 1,25% des BIP im Jahr 2023.
Auch wenn immerhin für das Jahr 2020 eine Steigerung der Ausgaben auf 1,37% geplant ist, so ist doch festzuhalten, dass das ganze lediglich ein Strohfeuer ist, da für die Jahre nach 2020 kein weiterer Ausbau der Ausgaben geplant ist und man sogar wieder auf 1,25% des BIP zurückfällt. Wenn man zynisch veranlagt ist, könnte man fast glauben, dass man auf deutscher Seite auf einen demokratischen US-Präsident hofft, welcher beide Augen geschlossen hält, damit man keine Anstrengungen unternehmen muss. In Anbetracht der Tatsache, dass man sich als multilateral orientiertes Land präsentieren möchte, ist das ein Armutszeugnis. In der Rede auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zwar versprochen, 2024 1,5% des BIP für Rüstungsmaßnahmen auszugeben, ist angesichts der Haushalts-Planungen bis 2023 aber nur schwer vorstellbar. [3] Außenminister Heiko Maas sprach in einem kürzlich veröffentlichten Interview ebenfalls davon, dass man bis 2024 die Verteidigungsausgaben auf 1,5% des BIP anheben möchte.[4]Auch hier muss man sich die Haushaltsplanungen von Finanzminister Olaf Scholz zu Grunde legen und man wird feststellen, dass das sehr wahrscheinlich nicht passieren wird.
Wenn man sich die geplanten Verteidigungsausgaben und den aktuellen Zustand der Bundeswehr also anschaut, kann man der Bundesregierung kein gutes Zeugnis ausstellen. Es zeigt, dass zum einen die Entwicklung einer sicherheitspolitischen Strategie anscheinend nicht gewünscht ist und man seinen Verpflichtungen in multilateralen Organisationen trotz aller Bekenntnisse zum Multilateralismus an sich nicht nachkommen will, wenn es um Bereiche geht, in denen man nicht innenpolitisch glänzen kann. Man kann durchaus kritisch gegenüber dem Ansatz sein, dass man die Verteidigungsausgaben am BIP gekoppelt hat, allerdings müsste man dennoch einen angemessenen Beitrag zur europäischen Verteidigung leisten, um eine glaubwürdige Kritik oder Diskussion diesbezüglich anstoßen zu können. Deutschland wäre als einer der führenden Nationen innerhalb Europas und der Europäischen Union durchaus in der Bringschuld.
Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Die Entscheidung, der Bundeswehr nicht die notwendigen Mittel zukommen zu lassen, kann außenpolitische Folgen nach sich ziehen. Man kann nicht davon ausgehen, dass die USA, welche fast 700 Milliarden US-Dollar für ihr Militär aufwenden, diesem Treiben noch lange tatenlos zuschauen werden. Im Worst-Case wäre durchaus eine Reduktion der US-Truppen in Deutschland möglich, welche dann in Polen oder in anderen osteuropäischen Staaten stationiert werden. Auch dürfte es ebenfalls unwahrscheinlich sein, dass die anderen europäischen Staaten dem ganzen tatenlos zuschauen. Hinzu kommen weitere Alleingänge der deutschen Bundesregierung wie dem Bau der russischen Gaspipeline Nordstream 2, welche trotz der Bedenken der osteuropäischen Staaten gebaut wird. Das wäre allerdings ein Thema für einen separaten Beitrag.
Insgesamt ist die deutsche Außenpolitik auf einem gefährlichen Pfad. Während man sich öffentlich als Staat mit einer multilateral ausgerichteten Außenpolitik profilieren möchte, zeigt man ein anderes Gesicht, wenn es um Themen geht, bei denen man womöglich unangenehme Entscheidungen treffen muss. Man möchte den militärischen Schutz durch die NATO mitnehmen, aber am besten nichts oder so wenig wie möglich dafür bezahlen, weil man befürchtet, dass dies in Umfragen nicht gut ankommt. Dafür gibt es auch einen Fachbegriff: free-rider. Wenn man die Bekundungen zum Multilateralismus ernst meint, muss hier schnellstmöglich etwas passieren.
Quellen:
[1]Vgl. Tagesschau: Zwei-Prozent-Ziel: Wer hat’s erfunden? Online verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/verteidigungsausgaben-103.html
[2]Vgl. Bundesministerium der Verteidigung: NATO-Gipfel 2014: Erhöhte Einsatzbereitschaft. Online verfügbar unter: https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/die-nato-staerke-und-dialog/nato-gipfel-2014-erhoehte-einsatzbereitschaft
[3]Vgl. Augen Geradeaus: Dokumentation: Merkel-Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Online verfügbar unter https://augengeradeaus.net/2019/02/dokumentation-merkel-rede-auf-der-muenchner-sicherheitskonferenz/
[4]Vgl. Auswärtiges Amt: Europa: „Wir müssen weg von der Einstimmigkeit in der Außenpolitik“. Online verfügbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-welt-am-sonntag/2202268