Wenn man denkt, es kann sicherheitspolitisch nicht mehr schlimmer kommen, kommt Macron um die Ecke.

Einleitung:

Bezüglich der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik bin ich ja einiges an Kummer gewöhnt und ehrlich gesagt erwarte ich in dieser Richtung nicht mehr viel, aber folgender Artikel der FAZ über die Neuausrichtung des französischen Präsidenten Macron ist dann doch eine ziemlich starke Nummer. Anbei erstmal den Link zu besagtem Artikel: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/warum-macron-die-naehe-zu-russland-sucht-16348382.html

Grob zusammengefasst möchte Macron einen Wandel im Umgang mit Putins Russland einleiten und sie in eine neue „europäische Sicherheitsordnung“ einbinden. Der Ukraine-Konflikt, die Nutzung des Internets zur Beeinflussung von innenpolitischen Debatten und Propaganda-Kanäle wie Russia Today als weiteres Medium zur Beeinflussung der Bevölkerung werden damit ganz elegant unter den Teppich gekehrt. Offiziell soll diese Neuausrichtung erfolgen, da durch die Aufkündigung des INF-Vertrags die Sicherheit Europas gefährdet sei und man dementsprechend politische Initiativen einleiten müsse. Auch sei die Idee eines Europas von Lissabon bis Wladiwostok gut und würde die europäische Bedeutung Russlands betonen.

Wie schon oben geschrieben, muss ich zugeben, dass ich darüber einigermaßen schockiert bin. Anscheinend glaubt man wieder, dass man eine militärische Großmacht wie Russland politisch einbinden kann, ohne in ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis zu geraten und man dafür sogar die transatlantischen Beziehungen opfern würde, weil ein unangenehmer US-Präsident gerade im Oval Office sitzt. Insbesondere bei der Idee eines Europas von Lissabon bis Wladiwostok schillern bei mir die Alarmglocken, da dieser Ansatz durch Alexander Dugin geprägt wurde, welcher unter anderem ein Europa unter russischer Vormachtstellung anstrebt.

Kurzer Exkurs zu Alexander Dugin:

Wer ist Alexander Dugin? Dugin ist ein russischer Politikwissenschaftler und Politiker und war unter anderem in den 1990er Jahren Vorsitzender der verbotenen Nationalbolschewistischen Partei Russlands,[1] welche 2005 vom Obersten Gerichtshof in Russland verboten wurde. Die Partei vertrat dabei nationalistische und antidemokratische Positionen und versuchte, Elemente des Nationalsozialismus und des Kommunismus zu verschmelzen, was ziemlich gut an der damals offiziellen Parteifahne erkennbar ist.[2] In Interviews aus den 1990er Jahren gab er offen zu, Sympathien zum italienischen Faschismus zu hegen. [3]

Im Bereich der Außen- und Geopolitik vertritt Dugin einen sehr offensiven Ansatz. Nach der Annexion der Krim schrieb er, dass man nach dem erfolgreichen Konflikt in der Ukraine das restliche Europa von der „amerikanischen Ideologie“ befreien könnte. Zugleich sollte es das Ziel sein, ein Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok zu schaffen, bei dem Russland die Oberhand behalten sollte, da dies das „Schicksal“ Russlands sei. [4]

Man muss einschränkend hinzufügen, dass sein tatsächlicher Einfluss auf den Kreml umstritten ist. Während Dugin selbst von sich behauptet, dass er durchaus Beratermandate innehat, gibt es keine offiziellen Informationen diesbezüglich von der russischen Regierung. [5]Es kann also durchaus sein, dass er sich nur ein Aufschneider ist und keinen bedeutenden Einfluss hat, allerdings ist spätestens seit 2014 eine aggressivere Außenpolitik von Seiten der russischen Regierung erkennbar, die in Teilen durchaus in die propagierten Ideen von Dugin passen. Dabei ist natürlich der Konflikt in der Ukraine zu benennen, als auch die erhöhten Cyber-Aktivitäten, um innenpolitische Debatten in anderen Ländern zu beeinflussen.

Dementsprechend halte ich es für einen fatalen Fehler, ernsthaft zu glauben, dass man das aktuelle Russland in europäische Strukturen einbinden könnte. Schon aus realpolitischen Gründen kann das nicht funktionieren:

Konsequenzen einer Annäherung


1. Man würde den osteuropäischen und baltische Staaten signalisieren, dass man ihre berechtigten Sorgen bezüglich ihres Nachbarn nicht ernst nimmt und ignoriert; Angesichts der sowieso schon angespannten Beziehungen bezüglich anderer Themen (Stichwort Migrationspolitik) wird man hier die Spaltung weiter vorantreiben

2. Russland ist eine militärische Großmacht und benimmt sich dementsprechend. Wenn man versucht, sie institutionell einzubinden, werden sie natürlich ihre Position dafür nutzen, die Strukturen zu ihren Gunsten zu gestalten. Zusammen mit den schon genannten Methoden zur Beeinflussung von innenpolitischen Diskursen können sie sich eine Vormachtstellung aufbauen.

3. Eine zu starke Annäherung an Russland würde mittelfristig ein Abhängigkeitsverhältnis aufbauen und es würde zugleich die transatlantischen Beziehungen noch weiter beschädigen. Man kann sicherlich stundenlang darüber debattieren, dass Trump ein unangenehmer Mensch ist, das rechtfertigt allerdings nicht das leichtfertige Abreißen der immer noch existenziell wichtigen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Was immer gerne vergessen wird: Trump ist US-Präsident, aber er ist nicht die einzige Institution. Man kann auch über die parlamentarische Ebene weiterhin eng zusammenarbeiten, was außen- und sicherheitspolitische Fragen angeht.

Schlussendlich kann man vor den Ideen von Macron nur warnen und ich bin auch enttäuscht darüber, da er sich zum Amtsantritt eigentlich gut gegenüber Russland positioniert hat. Hier wäre es durchaus angebracht, dass die Bundesrepublik eine Gegenposition zum französischen Vorschlag formuliert, aber angesichts der Tatsache, dass wir Heiko Maas als Außenminister haben, bin ich sehr skeptisch, dass das passieren wird. Man möchte ja das Nordstream 2 Projekt nicht gefährden.

  1. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Geljewitsch_Dugin

  2. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalbolschewistische_Partei_Russlands

  3. Vgl. https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2007/dezember/faschismus-a-la-dugin

  4. Vgl. https://rp-online.de/politik/ausland/alexander-dugin-russlands-neuer-rasputin_aid-9585053

  5. Vgl. https://libmod.de/ulrich-schmid-russland-phantasien-vom-eurasischen-grossreich/

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